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„Kulturkampf gegen den Verbrenner“: FDP kritisiert Abgasnorm Euro 7 scharf

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Von: Julian Baumann

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Die kommende Abgasnorm Euro 7 schlägt bereits hohe Wellen. Die FDP-Landtagsfraktion zweifelt gegenüber BW24 am Sinn einer solchen Regulierung und geht von Mobilmachung gegen den Verbrenner aus.

Stuttgart - Mit der Abgasnorm Euro 7 sollen die Schadstoffemissionen von Fahrzeugen weiter begrenzt werden. Weil die Einhaltung einer solchen Verordnung für die Hersteller deutlich mehr Aufwand und Kosten bedeutet, regt sich aktuell massiver Widerstand gegen die Regulierung. Die Ministerpräsidenten der Autoländer Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen fürchten erhebliche Nachteile für die Autoindustrie und auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) warnte vor einer zu scharfen Regulierung. Eben weil Baden-Württemberg mit Weltkonzernen wie Mercedes-Benz, Porsche und Bosch eine sehr wichtige und starke Autoindustrie hat, beschäftigt die EU-Verordnung den Südwesten in besonderem Maße.

Die neue Abgasnorm soll laut den Plänen der EU zwar erst im Jahr 2025 in Kraft treten, die Verordnung schlägt aber bereits jetzt hohe Wellen. „Derzeit gibt der Diskussionsstand zur neuen Abgasnorm Grund zur Sorge“, sagte Friedrich Haag, Sprecher für Mobilität der FDP-Landtagsfraktion, gegenüber BW24. „Es werden Anforderungen erwogen, die Stand heute die Grenze des technisch Machbaren überschreiten.“ Durch die neue Abgasnorm könnten Autos und Lastwagen spürbar teurer werden, befürchten Autohersteller und Kunden. Zudem sei durch eine Regulierung der Abgaswerte auch der Hochlauf der E-Mobilität in Gefahr.

FDP-Landtagsfraktion bezweifelt „Sinnhaftigkeit von Euro 7“ und warnt vor Überforderung der Industrie

Die EU-Kommission hatte sich im vergangenen Jahr darauf geeinigt, ab 2035 nur noch klimafreundliche Neuwagen zu erlauben. Die neue Abgasnorm soll den Schadstoffausstoß der Fahrzeuge aber bereits deutlich früher weiter regulieren. „Wir erkennen einen Feuereifer im Kampf gegen die individuelle Mobilität. Dabei kann das, was heute aus dem Auspuff kommt, bereits als praktisch sauber gelten“, sagte Friedrich Haag. „Deshalb stellt sich für mich generell die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Euro 7: Die Luftgrenzwerte werden heute schon praktisch überall, auch an den verkehrsnahen Messstationen, eingehalten.“ Mit der Verbreitung von synthetischen Kraftstoffen würden zudem auch die Emissionen älterer Fahrzeuge gesenkt werden können.

„Wofür braucht man überhaupt noch eine Verschärfung?“, fragt der FDP-Sprecher. „Wir treten mit Nachdruck dafür ein, das technisch Mögliche mit dem wirtschaftlich Sinnvollen in Einklang zu bringen.“ Dabei komme es auf die richtige Balance zwischen ambitionierten Grenzwerten und der Gefahr einer Überforderung der Automobilindustrie an. „In der Debatte wird häufig übersehen, dass die weit herausragenden Gesundheitsgefahren für den Menschen an erster Stelle das Rauchen, dann Übergewicht und Bewegungsmangel sind“, so Haag. „Das geht im ‚Kulturkampf‘ gegen den Verbrennungsmotor teilweise unter.“

Abgasnorm Euro 7

Die Abgasnorm Euro 7 ist die neueste Fassung der EU-Abgasnorm, die der Kommission zum Jahresende 2022 als Vorschlag vorgelegt wurde. Für Pkw sieht die Regulierung vor, dass der maximale Stickstoffausstoß von Diesel-Modellen von derzeit 80 Milligramm pro Kilometer auf den Benziner-Wert von 60 Milligramm pro Kilometer gesenkt wird. Der Ausstoß von Kohlenmonoxid soll bei den Benzinern wiederum auf den Diesel-Wert von 500 Milligramm halbiert werden.

Zudem soll es zusätzliche Grenzwerte für Partikelemissionen von Bremsen und Regeln für Mikroplastikemissionen von Reifen geben. Diese Regulierungen sind für alle Fahrzeugtypen vorgesehen, also auch für E-Autos. Die EU-Kommission geht von einer Kostensteigerung von 90 bis 150 Euro je Pkw aus. In Kraft treten soll die neue Abgasnorm im Juli 2025.
(Quelle: ADAC)

Mit den E-Fuels, synthetischen Kraftstoffen, wie sie Porsche seit Ende 2022 in Chile produziert, sollen auch Verbrennungsmotoren klimafreundlich angetrieben werden. „Denn das Problem ist nicht der Motor“, macht Friedrich Haag gegenüber unserer Redaktion deutlich. „Das Problem ist der fossile Treibstoff.“ Laut dem Politiker hegt die FDP-Fraktion den Verdacht, dass durch weitere Regulierungen ein vorzeitiges Verbrenner-Aus forciert werden solle. „Wir sind in großer Sorge, dass ideologisch betriebene Politik den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg in Gefahr bringt“, sagt er. „Generell, wenn der Automobilwirtschaft hohe Kosten aufgenötigt werden, bedeutet das als zwangsläufige Konsequenz höhere Preise für die Kunden und massiven Kostendruck auf Zulieferer mit der Folge von Produktionsverlagerungen immer weiter nach Osten.“

Grüne in Baden-Württemberg betonen Wichtigkeit des Umstiegs auf klimafreundliche Verkehrsmittel

Dass die Autoindustrie in Baden-Württemberg durch die Abgasnorm Euro 7 in Gefahr geraten muss, sehen die Grünen im Landtag allerdings nicht zwangsläufig. „Der baden-württembergischen Automobilindustrie und ihrem Arbeitsmarkt blüht eine starke Zukunft, je schneller und besser ihr die Transformation hin zu umwelt- und klimaverträglichen Technologien gelingt“, erklärte die verkehrspolitische Sprecherin Silke Gericke gegenüber BW24. Mercedes-Benz hatte das EU-Votum für ein Verbrenner-Aus begrüßt. Allerdings müssten Forschung und Entwicklung in diesen Bereichen liefern, da ab 2035 keine Verbrenner mehr in Europa zugelassen werden dürften, so die Grünen-Politikerin.

Autoverkehr in der Stuttgarter Innenstadt.
Die FDP in Baden-Württemberg hinterfragt den Sinn einer neuen Abgasnorm für Schadstoffemissionen. Die Grünen verweisen auf den Gesundheitsschutz durch saubere Luft. © IMAGO/imageBROKER/Wolfgang Diederich

Die Landtagsfraktion unterstütze die Bemühungen der Regierung, bei der EU-Richtlinie für ein hohes Ambitionsniveau zu werben. „Gesundheitsschutz durch saubere Luft hat für uns höchste Priorität“, so Gericke. Die Grünen betonen, dass im Zuge der Mobilitätswende neben dem Umstieg auf klimaverträgliche Energiequellen und Antriebstechniken, der Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel mindestens genauso wichtig sei. „Deshalb wollen wir die Fahrgastzahlen im öffentlichen Verkehr bis 2030 verdoppeln und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass jeder zweite Weg zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden kann“, erklärte Silke Gericke.

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