„Keine Art von Job bleibt verschont“: IG-Metall-Chef warnt wegen Verlagerung der Produktion ins Ausland
Autozulieferer in Baden-Württemberg verlagern Produktion und Arbeitsplätze zunehmend ins Ausland, warnt IG Metall-Chef Jörg Hofmann.
Stuttgart/Frankfurt - Eine Umfrage der Gewerkschaft IG Metall ergab, dass jeder zweite Autozulieferer in Baden-Württemberg nicht in Deutschland investiert. Die schwäbischen Autozulieferer befinden sich mitten in der Transformation zur E-Mobilität, was selbst an den größten nicht spurlos vorbeigeht. Der Bosch-Betriebsrat sorgt sich um einen drastischen Stellenabbau, da der Stuttgarter Technologiekonzern Komponenten für die E-Mobilität offenbar in Tschechien produzieren will. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der als ehemaliger Bezirksleiter und Verhandlungsführer in Baden-Württemberg viele Tarifabschlüsse erwirkt hatte, warnte im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (faz) vor den Folgen der Produktionsverlagerung.
Der Trend, im Ausland zu produzieren, ist beileibe nicht neu. Zahlreiche internationale Firmen lassen ihre Produkte vorzugsweise in Ländern mit günstigen Löhnen fertigen. Autohersteller verschieben Produktionsschritte dagegen zumeist in Länder, die einen starken Automarkt haben. Mercedes-Tochter Smart produziert beispielsweise inzwischen ausschließlich in China. „China pocht schon lange darauf, dass Bauteile für den chinesischen Markt im eigenen Land gefertigt und nicht importiert werden“, nennt Jörg Hofmann als einen der Gründe für die zunehmende Verlagerung ins Ausland. Für die Standorte in Baden-Württemberg kann dieser Trend aber fatale Folgen haben.
Autozulieferer in Baden-Württemberg verlagern Produktion zunehmend ins Ausland
Die Produktionsverlagerung ins Ausland kann zwei direkte Konsequenzen für die Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmens haben. Im schlimmsten Fall verlieren sie dadurch ihren Arbeitsplatz, in anderen Fällen gehen sie mit dem Unternehmen ins Ausland, wodurch Deutschland zunehmend an Fachkräften einbüßt. „Früher waren es einfache Arbeitsplätze, die in Billiglohnländer abwanderten“, erklärte der IG-Metall-Chef im faz-Interview. Inzwischen würden aber sogar komplexe Produkte der Zuliefererbranche nicht mehr in Deutschland stattfinden. „Es bleibt keine Art von Jobs verschont.“ Dies würde laut Jörg Hofmann nicht nur die Produktion, sondern auch Stellen in Forschung und Entwicklung betreffen.

Wie erwähnt will Bosch laut Medienberichten Komponenten für die E-Mobilität künftig in Tschechien produzieren, der IG-Metall-Chef nennt allerdings einen anderen großen Autozulieferer aus Baden-Württemberg als Beispiel. „ZF Friedrichshafen, der drittgrößte deutsche Autozulieferer, hat mit der Produktion wesentlicher Komponenten für das Elektroauto in Serbien begonnen und nicht in Deutschland“, sagte er. „Und auch ob die Produktion des neuen Hightech-Bordcomputers von ZF in Deutschland anläuft, ist mehr als ungewiss.“ Zugutehalten müsse er dem Stiftungskonzern vom Bodensee jedoch, dass sich Betriebsrat und Unternehmen gemeinsam um die Zukunftssicherung bemühen. Am ZF-Hauptsitz gibt es bislang aber noch keine Jobgarantie.
IG-Metall-Chef fordert neue Wertschöpfung in Deutschland – „Zukunft der Fabriken statt Abrissbirne“
Dass die Warnung des Gewerkschaftschefs nicht unbegründet ist, zeigt auch das Ergebnis einer Analyse des Unternehmens Ernst & Young (EY), die einen weiteren Stellenabbau in der Autoindustrie erwartet. Im Jahr 2022 konnten die Autobauer zwar Rekordgewinne einfahren, die Beschäftigung ging jedoch im vierten Jahr in Folge zurück. „Oft heißt es: Belegschaften werden abgebaut, Standorte geschlossen – neue Beschäftigung durch neue Wertschöpfung in Deutschland ist nicht erkennbar“, sagte Jörg Hofmann im Gespräch mit der faz. „Aber genau das brauchen wir: Investitionen in die Zukunft der Fabriken statt die Abrissbirne.“
Die Beschäftigungsentwicklungen bei Herstellern und Zulieferern in den vergangenen zehn Jahren:
Jahr | Autohersteller | Autozulieferer | Gesamt |
---|---|---|---|
2013 | 434.000 | 291.000 | 725.000 |
2014 | 447.000 | 295.000 | 742.000 |
2015 | 459.000 | 301.000 | 760.000 |
2016 | 471.000 | 303.000 | 774.000 |
2017 | 480.000 | 305.000 | 785.000 |
2018 | 486.000 | 311.000 | 797.000 |
2019 | 484.000 | 310.000 | 794.000 |
2020 | 470.000 | 301.000 | 771.000 |
2021 | 457.000 | 291.000 | 748.000 |
2022 | 461.000 | 274.000 | 735.000 |
(Quelle: Ernst & Young)
Die Arbeitsplatzverlagerung betrifft natürlich nicht nur die Wirtschaft in Baden-Württemberg. Mit Autobauern wie Mercedes-Benz, Porsche und den großen Zulieferern Bosch, ZF Friedrichshafen und Mahle ist der Südwesten aber ganz besonders von der Autoindustrie abhängig. Laut der EY-Analyse sind im Bundesland 4,6 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bei einem Autohersteller oder -zulieferer angestellt.