„Elektroantrieb wird Verbrenner verdrängen“: Analyse erwartet weiteren Stellenabbau in deutscher Autoindustrie
Während der Umsatz der deutschen Autoindustrie im Krisenjahr 2022 deutlich stieg, ging die Beschäftigung im vierten Jahr in Folge zurück. Davon sind vor allem die Zulieferer betroffen.
Stuttgart - Für die deutsche Autoindustrie war das durch Lieferengpässe, anhaltendem Chipmangel und Rohstoffknappheit geprägte Jahr 2022 nicht gerade einfach. Die großen Autohersteller haben das Krisenjahr aber dennoch mit Rekordgewinnen abgeschlossen. Mercedes-Benz verkündete einen Milliardengewinn und zahlte den Mitarbeitern die höchste Prämie der Firmengeschichte aus und auch Porsche legte deutlich zu und plant mit mehr Rendite. Einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) mit deutschem Hauptsitz in Stuttgart zufolge, stieg der Umsatz der deutschen Autoindustrie 2022 um 23 Prozent.

Andererseits kam die Analyse von EY aber zum Ergebnis, dass die Beschäftigung in der Autobranche im vierten Jahr in Folge zurückging. Unmittelbar davon betroffen waren vorrangig die Autozulieferer, während die Beschäftigungszahlen bei den Herstellern größtenteils stabil blieben. Grund für diese Entwicklung ist auch die Transformation zur E-Mobilität, die die Zulieferer stärker zu belasten scheint. Bosch-Chef Stefan Hartung hatte im Zuge der Transformation einen Stellenabbau angekündigt und EY sieht das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht.
Kluft in der Autoindustrie: Hersteller verdienen prächtig, Zulieferer stehen „mit dem Rücken zur Wand“
Die Analyse von EY, die ausschließlich in Deutschland tätige Betriebe mit einer Mitarbeiterzahl ab 50 untersuchte, zeigt eine deutliche Kluft zwischen den Autoherstellern und den Zulieferern. Insgesamt konnte die deutsche Autoindustrie zwar einen Rekordumsatz von 506 Milliarden Euro erwirtschaften, das Wachstum der Hersteller war aber mehr als viermal so stark, wie bei den Zulieferern. „Während die Automobilhersteller trotz Krise derzeit prächtig verdienen, stehen viele Zulieferer mit dem Rücken zur Wand“, erklärt Constantin Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Westeuropa, laut Mitteilung. „Und die Schere zwischen Herstellern und Zulieferern geht immer weiter auseinander.“
Wichtige Daten der Analyse von Ernst & Young im Überblick:
Bereich | Entwicklung 2022 |
---|---|
Umsatz der gesamten deutschen Autoindustrie | Anstieg um 23 Prozent auf 506 Milliarden Euro |
Umsatzwachstum Autohersteller | 28 Prozent |
Umsatzwachstum Autozulieferer | 6 Prozent |
Beschäftigung in gesamter Autoindustrie | Rückgang um 1,5 Prozent auf 774.000 Mitarbeiter |
Export deutscher Fahrzeuge und Komponenten ins Ausland | Anstieg um 16 Prozent |
Wichtigste Exportländer | USA (Anstieg um 37 Prozent), China (Anstieg um 9 Prozent) |
(Quelle: Ernst & Young)
Als Grund nennt Gall, dass die Autohersteller die Produktion von Batterien und Elektromotoren immer mehr in die eigenen Hände nehmen und weniger auf die altgedienten Lieferanten setzen. Zu befürchten sei, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren fortsetzen werde. „Angesichts der Transformation in Richtung Elektromobilität ist zwischen Herstellern und Zulieferern ein Verteilungskampf entbrannt, bei dem die Zulieferer oft die schlechteren Karten haben.“ Das lässt sich auch bei den Jahresbilanzen der großen Unternehmen in Baden-Württemberg erkennen: Mercedes-Benz und Porsche erreichten Rekordumsätze, während der Gewinn bei der ZF Friedrichshafen deutlich einbrach.
E-Auto-Transformation wird laut Studie „unausweichlich zu niedrigeren Beschäftigungen führen“
Die schwäbischen Autozulieferer Mahle und ElringKlinger hatten gegenüber BW24 die EU-Entscheidung im Verbrenner-Streit begrüßt. Demnach dürfen zwar auch nach 2035 noch Autos mit Verbrennungsmotor verkauft werden, wenn diese klimaneutral betrieben werden, letztendlich setzen aber auch die Zulieferer auf die E-Mobilität. Dass die Produktion von E-Autos weniger Personal benötigt, als die Produktion von Fahrzeugen mit konventionellen Antrieben, ist bekannt. „Der Kuchen wird in den kommenden Jahren kleiner werden“, sagt Peter Fuß, Partner bei EY. „Der Elektroantrieb wird sich durchsetzen und den Verbrennungsmotor verdrängen. Das wird unausweichlich zu einer niedrigeren Beschäftigung am Standort Deutschland führen.“
Die Beschäftigungsentwicklungen bei Herstellern und Zulieferern in den vergangenen zehn Jahren:
Jahr | Autohersteller | Autozulieferer | Gesamt |
---|---|---|---|
2013 | 434.000 | 291.000 | 725.000 |
2014 | 447.000 | 295.000 | 742.000 |
2015 | 459.000 | 301.000 | 760.000 |
2016 | 471.000 | 303.000 | 774.000 |
2017 | 480.000 | 305.000 | 785.000 |
2018 | 486.000 | 311.000 | 797.000 |
2019 | 484.000 | 310.000 | 794.000 |
2020 | 470.000 | 301.000 | 771.000 |
2021 | 457.000 | 291.000 | 748.000 |
2022 | 461.000 | 274.000 | 735.000 |
(Quelle: Ernst & Young)
Als Autoland ist Baden-Württemberg besonders von der Autoindustrie abhängig. Laut EY sind im Bundesland 4,6 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bei einem Autohersteller oder -zulieferer angestellt. Um den Stellenabbau im Zuge der E-Auto-Transformation abzufedern, starteten die großen schwäbischen Zulieferer bereits Qualifizierungsoffensiven. Bosch will beispielsweise rund 80.000 Mitarbeiter für die Transformation umschulen.