„Müssen jetzt handeln“: IG Metall sorgt sich um Standort Baden-Württemberg
Die Autozulieferer im Land verlagern die Produktion zunehmend ins Ausland. Die IG Metall fordert deshalb ein klares Bekenntnis zu Baden-Württemberg.
Stuttgart - Eine Studie kam kürzlich zum Ergebnis, dass die Transformation zur E-Mobilität für Autozulieferer deutlich schwieriger zu stemmen ist, als für die Hersteller. Selbst an den größten Unternehmen der Zuliefererindustrie in Baden-Württemberg geht die Umstrukturierung nicht spurlos vorbei. Bei Bosch geht die Sorge um einen drastischen Stellenabbau um und auch der Betriebsrat der ZF Friedrichshafen sprach von einem radikalen Stellenabbau in den kommenden Jahren. Nebenbei haben die beiden schwäbischen Großkonzerne Produktionsschritte für Zukunftstechnologien in osteuropäische Länder verlagert: Bosch will Berichten zufolge in Tschechien produzieren, die ZF hat mit der Produktion von Komponenten für E-Autos in Serbien begonnen.
Neben den beiden größten Autozulieferern in Baden-Württemberg verlagern auch andere Unternehmen ihre Produktion zunehmend ins Ausland. Der Esslinger Autozulieferer Eberspächer hat mit dem Bau einer neuen Fabrik begonnen und will Arbeitsplätze schaffen – allerdings nicht in Deutschland, sondern in Bulgarien. Angesichts dieser Entwicklungen und der ohnehin großen Herausforderung der Transformation fordert die Gewerkschaft IG Metall in der aktuellen Ausgabe des eigenen Magazins „metall“ (Ausgabe Mai/Juni) ein klares Bekenntnis der Unternehmen zum Standort Baden-Württemberg und von der Politik Investitionen in die Zukunft der Beschäftigten.

IG Metall fordert „Erhalt der Arbeitsplätze und Ansiedlung von Zukunftsprodukten“ in Baden-Württemberg
Die Wirtschaft in Baden-Württemberg ist im großen Maße von der außerordentlich starken Autoindustrie abhängig, weswegen die Produktionsverlagerung ins Ausland den Arbeitnehmervertretern zunehmend Sorgen bereitet. IG Metall-Gesamtchef Jörg Hofmann warnte, dass „keine Art von Job verschont“ bleiben werde und auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer fürchtet um die Existenz der Autozulieferer in Baden-Württemberg. Die Sorgen sind nicht unbegründet, da einer Umfrage der IG Metall unter Betriebsräten zufolge mindestens jeder zweite Zulieferer die Verlagerung ins Ausland plant. „Wir sehen vielfach die Entwicklung, dass die Transformation entweder gar nicht, oder im Ausland passiert“, sagt IG Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger in dem „metall“-Bericht.
IG Metall Baden-Württemberg
Gründungsjahr: 1949
Sitz: Stuttgart, Deutschland
Zuständigkeit: Die IG Metall Baden-Württemberg ist die regionale Untergliederung der IG Metall, der größten Gewerkschaft Deutschlands. Sie vertritt Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie sowie in verwandten Branchen in Baden-Württemberg.
Mitgliederzahl: Über 442.000
Vorsitzender: Roman Zitzelsberger
Bedeutung: Die IG Metall Baden-Württemberg ist eine der einflussreichsten Gewerkschaften in Deutschland und vertritt die Interessen von Arbeitnehmern in einer der wichtigsten Wirtschaftsregionen des Landes. Sie ist bekannt für ihre Forderungen nach höheren Löhnen, kürzeren Arbeitszeiten und besseren Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaft hat in der Vergangenheit auch erfolgreich für den Erhalt von Arbeitsplätzen und gegen Werksschließungen gekämpft.
Im Ausland würden neue Produkte und ganze Entwicklungsbereiche angesiedelt werden, während die deutschen Standorte auszulaufen drohen, so der Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg weiter. „Diese Signale aus den Betrieben geben uns Anlass zur Sorge, deshalb müssen wir jetzt handeln.“ Konkret fordert die Gewerkschaft laut dem Bericht den „Erhalt der Industriearbeitsplätze und die Neuansiedlung von Zukunftsprodukten im Autoland Baden-Württemberg“. Das betrifft allerdings nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch die Politik, die laut der Gewerkschaft mehr in die Zukunft der Beschäftigten investieren muss, um dem immer deutlicher werdenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Bei den Autozulieferern hängen 70 Prozent der Arbeitsplätze noch immer am Verbrenner
Die Produktionsverlagerungen ins Ausland sind demnach ein großes Problem für den Produktionsstandort Baden-Württemberg, doch bei den Autozulieferern gibt es noch einige weitere Hürden. Während Mercedes-Benz den Anteil an vollelektrischen Fahrzeugen zunehmend steigert und auch Porsche nach dem großen Erfolg des Taycan mit einer E-Auto-Offensive aufwartet, ist der Wandel bei den Herstellern von Kolben und Zylindern für Verbrennungsmotoren deutlich mühsamer. Dementsprechend verwundert es auch nicht, dass die schwäbischen Autozulieferer die Entscheidung für E-Fuels begrüßen. Dennoch wird die Transformation zur E-Mobilität laut Analysen unabwendbar mit einem Beschäftigungsrückgang verbunden sein.

Grund dafür ist, dass aktuell noch die Mehrzahl – einer IG Metall-Umfrage zufolge 70 Prozent – der Arbeitsplätze bei den Autozulieferern in Baden-Württemberg am Verbrenner hängt. Auch Mahle-Chef Arnd Franz machte deutlich, dass nicht alle Standorte die Transformation überstehen werden. Roman Zitzelsberger zeigte sich jedoch zumindest halb optimistisch, dass die Gewerkschaft zum Gelingen der Transformation beitragen kann. „Wir stellen fest, dass es an vielen Stellen noch gut läuft, aber das Ende dieser Situation ist mit dem Verbrenner-Aus absehbar“, warnte er. „Wir müssen jetzt die Trendwende starten, die Chancen sind da.“