Clinch in der Autoindustrie: Zulieferer verzweifeln, während Hersteller hohe Margen einfahren

Lieferprobleme und steigende Kosten können von den Autoherstellern durch den Fokus auf hochpreisige Modelle abgefedert werden. Die Zulieferer haben diese Möglichkeit nicht.
Stuttgart - „Die Autoindustrie steckt in einer fundamentalen Transformation“, sagte Mercedes-Chef Ola Källenius bei einem Strategie-Update des Autokonzerns am 19. Mai. Die Transformation zur E-Mobilität betrifft allerdings nicht nur die Hersteller, sondern auch die Autozulieferer. Aktuell erschweren Lieferprobleme und steigende Kosten, unter anderem durch den Ukraine-Krieg, den Wandel in der Branche. Während Mercedes-Benz mit der Luxus-Strategie, also dem Fokus auf hochpreisige Modelle, trotz Krisen hohe Margen erreicht, gelangen die Zulieferer zunehmend an ihre Grenzen.
Durch diesen Umstand ist in der deutschen Autoindustrie ein regelrechter Clinch ausgebrochen. Die großen Autozulieferer wie Bosch und Mahle aus Stuttgart oder auch die ZF Friedrichshafen leiden unter den extrem gestiegenen Rohstoffpreisen. Noch schlimmer trifft es aber die kleineren Unternehmen. Laut dem Handelsblatt wollen die Zulieferer die hohen Kosten zumindest teilweise an die Hersteller weitergeben, stoßen dabei aber auf Widerstand.
Autohersteller kommen den Zulieferern bei der Preisanpassung nur geringfügig entgegen
Die stark gestiegenen Preise für Rohstoffe und Materialien betreffen die gesamte Produktionskette der Autoindustrie. Die Zulieferer müssen mehr zahlen, wodurch wiederum die Kosten der Bauteile für die Autohersteller steigen. Große Autozulieferer haben ihre Bemühungen intensiviert, zusammen mit den Autobauern eine Lösung für die derzeitige Situation zu finden. „Nicht nur die Automobilhersteller, auch die Zulieferer sind darauf angewiesen, Preissteigerungen weiterzugeben“, sagte Bosch-Finanzchef Markus Forschner Anfang Mai laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Nur so könne das Geschäft des weltgrößten Autozulieferers weiterhin profitabel bleiben. Mahle schreibt bereits rote Zahlen und blickt verhalten auf das laufende Geschäftsjahr.
Dem Handelsblatt zufolge berichten Experten allerdings von eher konfrontativen Gesprächen zwischen den Autoherstellern und den Zulieferern. „Die Autobauer kommen bei der Preisanpassung der Kaufverträge den Zulieferern nur so weit entgegen wie unbedingt notwendig, um die Gefahren eines Lieferstopps abzuwenden“, sagte Martina Buchhauser von der HZ Group. Erste kleinere Zulieferer haben bereits mit einem solchen temporären Lieferstopp offen gedroht, beispielsweise der Filter-Hersteller Mann + Hummel aus Ludwigsburg.
Kleinere Autozulieferer können nicht liefern, obwohl die Nachfrage hoch ist
In Bezug auf die stark gestiegenen Preise gibt es in der Autoindustrie einen gravierenden Unterschied zwischen den Herstellern und den Zulieferern. Wenn ein Zulieferer beispielsweise einem Autohersteller wie Mercedes-Benz ein bestimmtes Bauteil verkauft, ist es unerheblich, ob das Bauteil in ein Luxus-Modell wie die S-Klasse oder ein Kompaktwagenmodell wie die A-Klasse verbaut wird. Der Preis für das Bauteil ändert sich dadurch nämlich nicht, die Autohersteller können durch den Einbau in hochpreisige Modelle aber ihre Margen erhöhen.
Gerade kleinere Autozulieferer haben aktuell aber das Problem, überhaupt nicht liefern zu können, obwohl die Nachfrage hoch ist. „Unsere Auftragsbücher sind gut gefüllt. Aber wir können nicht liefern“, sagte Martin Peters, der Vorsitzende der Bezirksgruppe Neckar-Fils des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, laut dem Handelsblatt. Gemäß einer Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen des Verbands sehen 60 Prozent ihre Produktion durch die Lieferprobleme stark beeinträchtigt. Sollten Mercedes-Benz, BMW, VW und Co. den Zulieferern nicht entgegenkommen, könnten kleinere Unternehmen vollständig wegfallen und große Firmen wie Bosch oder die ZF Friedrichshafen müssten ihre Absatzerwartungen noch weiter zurückschrauben.